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Das Beste aus zwei Welten? Von Halbelfen und Halborks

Die Zeitzeugin hat zur „Karneval der Rollenspielblogs“ Blogparade aufgerufen. Das Thema: Beziehungskiste. Aus Weltenbausicht ist das eine fantastische Gelegenheit, um die Kinder aus Liebschaften verschiedener Spezies unter die Lupe zu nehmen. Populär sind sie nämlich allemal, allen voran die Halbelfen, die aus dem High-Fantasy-Genre nicht mehr wegzudenken sind. Wie ist dieses Konzept überhaupt entstanden und welche Konsequenzen haben sie im Weltenbau? Ein Überblick.

Vorstellungen von Mischwesen sind uralt und tief in vielen Mythologien verwurzelt. Praktisch jeder Halbgott fällt in diese Kategorie, ebenso wie der Minotaurus und viele weitere mythische Kreaturen. Wenn heute von „Halb-X“ die Rede ist, ist in der Regel aber eine Kreuzung aus Menschen und der humanoiden Spezies X gemeint. Das Konzept ist extrem populär – warum eigentlich?

Zerrissene Protagonisten und Superhelden

Für Geschichten sind Hybride wie Halbelfen oft eine extreme und erweiterte Form des Romeo-und-Julia-Motivs der Liebe, die nicht sein darf: Nicht nur haben sich zwei Liebende verschiedener Spezies und womöglich verfeindeter Kulturen gefunden, sondern auch noch ein Kind gezeugt, das gleich mit einem eingebauten Identitätskonflikt geboren wird. Die Frage „Wo gehöre ich hin?“ wird durch die biologische Komponente stark zugespitzt. Dementsprechend lassen sich anhand solcher Protagonisten zum Beispiel rassistische Themen behandeln oder Geschichten konzipieren, in denen der Protagonist als Metapher für Sinnkrisen im Allgemeinen dient. Im Rollenspielkontext ergibt sich natürlich ein spannender Hintergrund für den Charakter.

Die perfekte Brücke in die Fantasy-Welt

Die Faszination fantastischer Welten ergibt sich zudem nun mal aus dem Fantastischen und Mensch-X-Hybride sind eine perfekte Brücke zu diesen Elementen: Ein hoher Identifikationsgrad (gewährleistet durch die menschliche Seite) wird um übermenschliche Eigenschaften ergänzt (beispielsweise eine extreme Lebensspanne, ungewöhnliche Körperkraft oder Geschicklichkeit, schärfere Sinne oder eine hohe Affinität zu Magie). Oft werden auch Schwächen ausgeglichen: Ein Halbvampir kann so zum Beispiel unbeschadet im Tageslicht wandeln. Im Kontext von Rollenspielregelwerken geht damit die Möglichkeit einher, besonders flexible Charaktere zu erschaffen, die das „Beste aus zwei Welten“ verbinden. Für Regelfüchse also genau das Richtige.

Der Prototyp: Halbelfen

Halbelfen dürfen als der klassische Fantasy-Hybrid gelten. Ihre Geschichte ist untrennbar mit der Genese von Elfen als klassischem Fantasy-Volk verknüpft. Deren geistige Ahnen sind die Álfar der nordischen Mythologie, ein Volk von Humanoiden, das bereits teilweise mit übernatürlicher Schönheit und magischen Kräften assoziiert wurde. Ein prominentes erstes Beispiel für eine Halbelfin ist die Prinzessin Skuld der isländischen Hrólf Kraki Saga aus dem späten Mittelalter. In der Romantik wurden antike und nordische Mythen und Legenden schließlich wiederentdeckt und im ausgehenden 19. Jahrhundert nahm daraus das Fantasy-Genre Form an. Auch die Halbelfen schafften so den Sprung in die moderne Literatur: 1924 veröffentlichte Edward Plunkett, besser bekannt als Lord Dunsany, den Roman „The King of Elfland’s Daughter“, in dem Orion, Sohn eines Menschenprinzen und einer Elfenprinzessin, eine Hauptrolle innehat.

Tolkiens Halbelben müssen eine Seite wählen

Und dann kam – natürlich – Tolkien. Obwohl dessen Elben nach wie vor als die Blaupause für moderne Fantasy-Elfen dienen, ist das Konzept seiner Halbelben nur noch ein Artefakt. Biologisch sind Tolkiens Elben und Menschen fast identisch, der entscheidende Unterschied liegt auf spiritueller Ebene: Ein Halbelb muss sich irgendwann entscheiden, welcher Seite er angehören möchte. Als Elb ist er unsterblich und kann die Welt Arda nicht verlassen, als Mensch zieht seine Seele nach dem Tod an einen Ort weiter, der allen Elben verwehrt bleibt. Elrond und Arwen sind prominente Beispiele. Zudem sind Halbelben bei Tolkien rar und auf wenige Individuen beschränkt.

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Der Halbelb Elrond hat sich für die Unsterblichkeit entschieden. (c) New Line Cinema

Diese Entscheidungsfreiheit der tolkienschen Elben hat sich nicht erhalten. In den meisten neueren Fantasy-Welten sind Halbelfen ein biologischer Mittelweg zwischen Mensch und Elf: Sie erreichen ein höheres Alter als Menschen, aber nicht das hohe Alter oder die Unsterblichkeit von Elfen. In einigen Welten gibt es zudem ganze Völker mit halbelfischem Erbe (die Bretonen aus „The Elder Scrolls“), in einigen sind Halbelfen ausgeschlossen aber die Fortpflanzung von Elfen und Menschen nicht (auf Thedas aus „Dragon Age“ sind die Nachkommen von Elfen und Menschen stets Menschen).

Hybride in der Weltenbaulogik

Nach den Halbelfen hat sich ein Panoptikum an Hybriden etabliert. So gibt es in der Fantasy inzwischen auch Halbriesen (wie Hagrid aus „Harry Potter“) oder Halborks (die Uruk-hai Tolkiens sind implizierte erste Vertreter). Besonders in Rollenspieluniversen sind viele weitere Kombinationen möglich, auch ohne menschlichen Elternteil.

In der Realität sind Hybride äußerst selten, obwohl die DNA höherer Wirbeltiere und besonders verwandter Spezies oft zu großen Teilen identisch ist. In den meisten Fällen sind Kreuzungen zwischen Spezies nicht möglich. Falls doch Nachwuchs gezeugt werden kann, ist das Risiko von Komplikationen und schweren Gendefekten erheblich höher und fast immer ist der Nachwuchs selbst nicht mehr fortpflanzungsfähig. Ein populärer Weg, diesen Widerspruch mit der Realität einigermaßen zu umgehen, ist die Einordnung von Elfen, Zwergen oder Riesen als Subspezies des Menschen, die untereinander fortpflanzungsfähig sind. Wie viel „Wissenschaft“ allerdings in eine Fantasy-Welt gehört, entscheidet jeder Autor am Ende natürlich selbst. Und es bleibt ja immer noch Magie als Erklärung.

Wenn Hybride fest etabliert sind, müssen sie sich in die Logik der Welt einfügen

Doch auch wenn Halbelfen und Co. fest etabliert sein sollen, lohnt es sich, die innere Logik der Welt noch einmal zu überprüfen: Sind Hybride häufig oder selten? Wenn die Populationen der involvierten Spezies sich einen Lebensraum teilen oder in großer Zahl in direkter Nachbarschaft leben und gemeinsame Nachkommen ohne schlimme Komplikationen möglich sind, sollten sie nicht auf einzelne Individuen beschränkt sein (auch wenn sie Ausnahmen bleiben). Wenn Hybride häufig vorkommen, sollte das auch Folgen für die Gesellschaft haben, in der sie leben. Ein Leben als Ausgestoßene liegt nahe, in größeren Städten sind zum Beispiel Ghettos denkbar. Aber auch der umgekehrte Ansatz wäre möglich: Hybride könnten besonderes Ansehen genießen und Zugang zu Berufen oder Ebenen in Hierarchien haben, die speziell für sie geschaffen wurden oder zu denen andere nur schwer Zugang haben, insbesondere, wenn sie über mächtige Eigenschaften verfügen.

In der Science-Fiction sind Hybride aus natürlicher Fortpflanzung übrigens deutlich seltener als in der Fantasy. Kein Wunder: Während auf der Erde Kreuzungen schon schwierig zu bewerkstelligen sind, wäre das mit einer Alienspezies, die einen völlig anderen DNA-Aufbau aufweist, wohl schlicht unmöglich. Doch nur weil Nachwuchs ausgeschlossen ist, muss das ja nicht für die Liebe gelten. Die „Völkerverständigung“ von Captain Kirk macht es vor.

Der „Karneval der Rollenspielblogs“ ist ein offenes Projekt verschiedener Rollenspielblogs und -webseiten, das monatlich Beiträge zu einem fest definierten Thema sammelt. Alle Beiträge und Themen finden sich im Forum von rsp-blogs.de.

Titelbild: Elf markswoman, (GPL_v3) Kathrin „Kitty“ Polikeit; Karneval der Rollenspielblogs Logo, Teilzeithelden.de/rsp-blogs.de; Bearbeitung durch Weltenbau Wissen

7 Gedanken zu „Das Beste aus zwei Welten? Von Halbelfen und Halborks“

  1. Guter Artikel und sehr ausführlich.
    Die „Halblings“-angelegenheit ist aber gar nicht so einfach. Eigentlich mag ich es ja, wenn man Rassen bunt untereinander kreuzen kann. Mag z.B. auch die Mul, die Halb-Zwerge aus „Dark Sun“, aber für unsere – meine Freundin und ich – Hauptwelt Gaia haben wir uns nach langer Überlegung und Zwiegespräch dazu entschieden, dass es keine Möglichkeit der Rassenmischung gibt, da wir die Sache – trotz aller fantasischen Aspekte – recht biologisch sehen und hier einfach das DNS-Problem zuschlägt. Wir sind jetzt sogar noch einen Schritt weiter gegangen, und haben aus unseren „Elfen“ eine eierlegende Säugerrasse gemacht. Dadurch bleibt zwar die Möglichkeit einer geschlechtlichen Beziehung zwischen Mensch und Cha’Iru bestehen, doch kommt es definitiv nicht auf natürlichem Wege zu einer Befruchtung und somit zu einem Mischling. Betonung liegt „auf natürlichem Wege“, denn theoretisch könnte es möglich sein auf Gaia „Halblinge“ zu erschaffen, in dem man sie im Labor züchtet. Immerhin hat dies auch schon bei einem Volk, den Wulfen, funktioniert. Diese sind Mensch-Wolf-Hybriden, bei denen fehlerhafte DNS-Stränge künstlich durch tierische DNS ergänzt wurden. Sprich: Es wäre auch theoretisch möglich, Halb-Cha’Iru zu erschaffen. Aus der Perspektive auf jeden Fall ein Danke für den Artikel! Das hat gewisse Überlegungen angetrieben.

    1. Freut mich, dass der Artikel neue Inspiration geliefert hat! Das künstliche Kreuzen von Spezies habe ich absichtlich ausgelassen, die Blogparade läuft ja unter dem Begriff „Beziehungskiste“. Ganz nebenbei: Von eierlegenden Elfen bin ich spontan hoch fasziniert! Kann man irgendwo mehr lesen?

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